Verlustwinkel

Der Verlustwinkel δ {\displaystyle \delta } beschreibt den Anteil der Wirkleistung elektrisch reaktiver Bauteile wie Spulen oder Kondensatoren bei sinusförmigen Spannungs- und Stromverlauf.

Bei oszillierenden mechanischen Untersuchungen tritt der Verlustwinkel auf als Phasenunterschied zwischen Deformation und anliegender (z. B. Schub-)Spannung, siehe auch komplexer Schubmodul.

Beschreibung

Leistungs-Zeigerdiagramm:
der Verlustwinkel ist der dritte Winkel (hier: oben) im rechtwinkligen Dreieck, der sich mit der Phasen­verschiebung phi zu 90° ergänzt

Alle folgenden Ausführungen gelten für gleichfrequente sinusförmige Spannungen und Ströme.

Der Verlustwinkel ist definiert als Arcustangens des Verhältnisses von Wirkleistung P {\displaystyle P} zu Blindleistung Q {\displaystyle Q} :

δ = arctan P Q {\displaystyle \delta =\arctan {\frac {P}{Q}}} .

Der Tangens des Verlustwinkels ist der Verlustfaktor DF:

tan δ = P Q = D F {\displaystyle \Leftrightarrow \tan \delta ={\frac {P}{Q}}=DF} .

Hiervon zu unterscheiden ist der Kosinus des Winkels φ der Phasenverschiebung als Verhältnis von Wirkleistung zu Scheinleistung S {\displaystyle S} :

cos φ = P S {\displaystyle \cos \varphi ={\frac {P}{S}}} .

Je kleiner der Verlustwinkel, desto näher kommen die realen Bauteile einem idealen Verhalten: eine ideale Induktivität hat einen Verlustwinkel von 0°, ein idealer Kondensator ebenfalls; ein idealer elektrischer Widerstand dagegen hat einen Verlustwinkel von 90°, er besitzt keine kapazitiven oder induktiven Blindanteile, d. h. bei ihm tritt keine Phasenverschiebung auf:

δ R , i d = 90 | φ | = 0 {\displaystyle \delta _{R,id}=90^{\circ }\Rightarrow \left|\varphi \right|=0} .

Der Verlustwinkel lässt sich berechnen über die komplexe Impedanz Z oder über die Phasenverschiebung φ {\displaystyle \varphi } zwischen Strom und Spannung des Bauteils:

δ = arctan Re Z _ Im Z _ {\displaystyle \delta =\arctan {\frac {\operatorname {Re} {\underline {Z}}}{\operatorname {Im} {\underline {Z}}}}}
δ = 90 | φ | {\displaystyle \delta =90^{\circ }-\left|\varphi \right|}

Verlustfaktor einer Spule:

tan δ = R ω L {\displaystyle \tan \delta ={\frac {R}{\omega L}}}

Verlustfaktor eines Kondensators:

tan δ = R ω C {\displaystyle \tan \delta =R\omega C}

mit dem äquivalenten Serienwiderstand R im Ersatzschaltbild des Bauteiles

Der äquivalente Serienwiderstand (kurz ESR, von engl. Equivalent Series Resistor) repräsentiert im Ersatzschaltbild alle Verluste:

Da sich bei realen Bauteilen die Real- und Imaginärteile der Impedanz und damit die Phasenverschiebung unterschiedlich stark mit der Frequenz ändern, ändert sich meist auch der Verlustwinkel mit der Frequenz; in der Regel nimmt er mit ihr zu.

Je kleiner der äquivalente Serienwiderstand im Serien-Ersatzschaltbild eines Kondensators, desto kleiner dessen Verlustwinkel.
Entsprechend ist auch bei einer Spule mit kleinem Verlustwinkel der ESR im Serien-Ersatzschaltbild kleiner.

Insbesondere bei Kondensatoren ist der Verlustwinkel neben dem Kapazitätswert eine wichtige Kenngröße; er wird bei einer bestimmten Frequenz bestimmt, die sich nach dem Einsatzzweck des Kondensators richtet und im Datenblatt angegeben wird.

Literatur

  • Karl Küpfmüller, Wolfgang Mathis, Albrecht Reibiger: Theoretische Elektrotechnik – Eine Einführung. 18. Auflage. Springer, 2008, ISBN 978-3-540-78589-7.